Ein 2-Millionen-Smartphone-Markt, den kaum einer kennt

Der Trend zu Secondhand schwappt von Mode über zu Smartphones. Allein im vergangenen Jahr wuchs der Gebrauchtmarkt um 15 Prozent – und damit deutlich stärker als der für Luxus-Smartphones. Das hat viele Gründe.

04. Oktober 2022

Und dann tigerte er wieder, der Mann mit dem schwarzen Rollkragenpullover und dem schütteren Haar. Er hatte sich diesen einen Knaller bis zum Schluss aufgespart. Natürlich, sagt man im Nachhinein. Immerhin revolutionieren die nächsten Sätze von Steve Jobs den Handymarkt ein für alle Mal, als er sagt: „One last thing“.

2007 war das, Steve Jobs präsentierte das iPhone und eröffnete damit das Rennen der Luxus-Ausstattungen: Kamera, Display, Prozessor, immer mehr, immer besser, immer teurer. Das neueste Modell, das iPhone 14, kostet je nach Ausstattung mehr als 2000 US-Dollar. Ein riesiger Preis für die Normalbevölkerung. 

Heute bekriegen sich Samsung, Huawei oder Apple. Sie versuchen immer das Beste, das Neueste und vielleicht auch das luxuriöseste Telefon im Angebot zu haben. Dabei entwickelt sich still und heimlich längst ein ganz anderer Markt mit einer solchen Wucht, dass man sich fragt, warum es darum so still ist. Die Rede ist vom Gebrauchtmarkt für Smartphones, der allein im vergangenen Jahr um sage und schreibe 15 Prozent gewachsen ist, während der Markt für Luxus-Smartphones wie dem neuen iPhone in Richtung Sättigung läuft und gerade noch einmal um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnte. 

Refurbished und Secondhand liegen im Trend

Während über jedes neue iPhone große Berichte laufen, läuft der Gebrauchtwarenmarkt für Smartphones bisher oft unter dem Radar. Dabei ist er in Deutschland längst so groß, dass man eigentlich kaum noch an ihm vorbeikommt. Allein im vergangenen Jahr gingen allein zwei Millionen Smartphones über den zumeist digitalen Warentisch, die nicht neu, sondern „Refurbished“ waren, wie es im Fachjargon heißt – und das dürfte nur einen Teil des Marktes ausmachen. Denn immerhin gibt es auch solche Smartphones, die ohne Reparaturen oder Aufhübschen den Besitzer wechseln, beispielsweise über eBay Kleinanzeigen. 

Damit ist der Trend hin zu Secondhand auch im Smartphone-Markt endgültig angekommen und dürfte sich dort in den kommenden Jahren noch verstärken. Bereits 2021 sagte mehr als ein Drittel aller Befragten, dass sie sich vorstellen könnten, ein gebrauchtes Smartphone zu kaufen. Bei 62 Millionen Smartphone-Nutzern hierzulande wären das allein in der Bundesrepublik rund 20,5 Millionen potenzielle Kunden. Ein Jahr später haben angeblich schon 25 Prozent zugeschlagen und sogar 70 Prozent könnten sich einer Studie zufolge vorstellen, demnächst zum Gebrauchten statt zum Neuen zu greifen.

Ein Fünftel des Kleiderschranks besteht aus gebrauchten Klamotten 

Damit zeigt sich hier ein Trend, der sich auch bei anderen Luxusgütern gut beobachten lässt. So boomt mittlerweile der Markt für gebrauchte Luxusuhren im E-Commerce-Bereich dank neuer Plattformen ebenso wie für gebrauchte Luxusmode von Chanel, Balenciaga oder Hugo Boss. Letztere Firma baut gar eine eigene Plattform, weil die Nachfrage danach so groß ist – und das spiegelt sich auch in den nackten Zahlen gut wider. So betrug das weltweite Volumen an gebrauchten Luxusklamotten 2021 bereits 33 Milliarden Euro und das könnte erst der Anfang sein. 

Denn einer Umfrage zufolge bestand im Jahr 2020 rund ein Fünftel des Kleiderschranks eines Durchschnittskunden aus gebrauchten Klamotten. Bis 2023 schätzen die Experten, könnte diese Zahl auf 25 Prozent anwachsen und damit einen Markt befeuern, der sich schon heute an jeder größeren Straßenecke zeigt. Dort sind in den vergangenen Jahren die Secondhand- und Vintage-Läden aus den Böden geschossen, die gerade die junge Generation ansteuern. 

Die Gründe für den Trend hin zum Gebrauchten sind vielfältig. Einer der Gründe, der aber offenbar nicht dazu gehört: Hipstertum. Das gebrauchte Smartphone oder das Kleid würden die Kunden nicht kaufen, weil „Gebraucht“ eben gerade im Trend liege, heißt es in Umfragen. Das nämlich gaben gerade einmal sieben Prozent der Befragten an. Gebraucht zu kaufen hat praktische Gründe, vor allem zwei.

Nachhaltigkeit und Preisgestaltung spielen eine wichtige Rolle

Da ist zum einen das Preisargument. Oftmals können Menschen sich teure Luxusartikel von Chanel oder das neueste iPhone schlicht nicht leisten. Der Einkauf über den Gebrauchtmarkt spart ihnen daher Geld, ohne dass die Käufer an Prestige einbüßen müssten. Das spiegelt sich beispielsweise auch in einer Umfrage des Portals Momox. Demnach gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie Secondhandkleidung kaufen, weil sie günstiger sind. Nur ein Kauffaktor räumte noch mehr Prozent ab: So gaben 87 Prozent an, dass sie Second-Hand-Kleidung kaufen, weil sie der Umwelt besser tut.

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Bei Smartphones gestaltet sich das ähnlich. In einer anderen Studie gaben 87 Prozent der Käufer an, dass Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in ihrer Kaufentscheidung spiele. Das macht den Kauf eines Refurbished-Artikels sehr viel attraktiver, besonders wenn man bedenkt, dass das Preisargument hier nicht für alle Altersgruppen unbedingt eine Rolle spielt. So steige das Interesse an Refurbished-Modellen mit höherem Bildungsgrad eher, erklären Experten, zumindest bei der älteren Generation. Bei jungen Käufern mit oft niedrigerem Einkommen ist die Preisfrage hingegen eine wichtige. 

Die Anbieter haben diesen Trend auf vielen Ebenen erkannt – im Smartphone-Markt wie auch anderswo. H&M bietet eine nachhaltige Modelinie an, Portale wie Backmarket.de haben sich etabliert und das Fairphone, ein unter fairen Bedingungen produziertes Smartphone, ist immer mehr Menschen bekannt. Und selbst bei Apple wollen sie ein bisschen was für die Nachhaltigkeit tun und nehmen das alte Smartphone gegen Zahlung zurück. Refurbished wird das dann nicht. Aber was nicht ist, könnte ja doch noch werden.

Ein zweiter, relevanter Markt, der sich auftut und den es zu beobachten gilt, da die angebotenen Artikel mit im Relevant Set der Endkunden sind und somit zum Vergleich bei einer Kaufentscheidung herangezogen werden.

Sebastian Klumpp
CEO

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